Gronau
in Kooperation mit Simon Kochhan
Mitarbeit: Lennart Lippert
Wettbewerb, Neubau, 2024
Nutzung: Gesundheitszentrum
Bruttogrundfläche: 2350 m2
Visualisierungen: STUDIO SOZIA
hhpberlin (Brandschutz)
C4 engineers GmbH (Tragwerksplanung)
Transsolar KlimaEngeering (Energiekonzept)
Ingenieurbüro für Gebäudetechnik Uwe Häberle (HLS)
Entwurfs- /Architekturkonzept
Leitidee & Entwurfskonzeptes
Im Zentrum von Gronau an besonders prägnanter städtebaulicher Situation soll am Kurt-Schumacher-Platz ein Gesundheitszentrum entstehen, das als repräsentativer Auftakt des Quartiers enorme Wichtigkeit erhält. Ziel des Entwurfes war es demnach nicht nur eine zeitgemäße gestalterische Antwort auf die besondere Lage zu finden, sondern diese mit einer klaren Adressierung und einer größtmöglichen Flexibilität im Inneren zu paaren. Während das Erdgeschoss möglichst offen durch große Verglasungen und Passagen als Vermittler der städtischen Räume agiert, bieten die gewählten Fassaden der Obergeschosse mit horizontalen und vertikalen opaken Elementen eine Vielzahl an Anschlussmöglichkeit für unterschiedliche Nutzungen und adäquaten Sichtschutz. Die gewählte bauliche Struktur besitzt einen hohen Grad an Flexibilität – zum Einen sind verschiedene Nutzungsmöglichkeiten für medizinische Einrichtungen und eventuelle Änderungen in den Anforderungen der Mietflächen während des Betriebs möglich, zum Anderen werden sogar Nutzungen außerhalb des Ärztehaus wie Büro, Wohnen oder Hotel denkbar. Dabei unterscheiden sich die Nutzungen in ihrem Flächenbedarf: großflächige Einheiten für Arztpraxen und Büros sowie kleinteilige Strukturen für Gemeinschaft, Wohnen oder Boardinghouse. Dies spiegelt sich in der unterschiedlichen Erschließung und den Tragrastern der beiden Bauten wider.
Städtebauliche Einbindung
Das Entwurfsgrundstück befindet sich zentral in der Innenstadt von Gronau, eingebettet zwischen dem Inselpark im Norden und dem Stadtpark im Süden. Das Baufeld ist L-förmig und besteht aus zwei rechteckigen, unterschiedlich hohen Baukörpern. Der dreigeschossige und demnach niedrigere Baukörper fügt sich harmonisch mittels gleicher Traufhöhe in die Nachbarbebauung ein und bildet eine fortlaufende Kante zum Kurt-Schumacher-Platz. Der höhere, viergeschossige Baukörper ist dazu orthogonal gedreht und markiert mit seiner Höhe und prägnanten Lage den Zugang zum Quartier. Um wirtschaftliche und gut belichtete Grundrisse zu ermöglichen, wird die gesamte Breite des Baufelds nicht ausgereizt.
Erschließung
Äußere Erschließung / Ver- und Entsorgung
Die Haupterschließung des Gesundheitszentrums erfolgt repräsentativ über den Kurt-Schumacher-Platz, der als das Hauptentree des Gebäudes dient. Zusätzlich ist ein Zugang über die Tiefgarage unter dem Kurt-Schumacher-Platz vorgesehen. Ein Eingang auf der Rückseite über die Konrad-Adenauer-Straße ist als untergeordneter Zugang für Krankentransporte und Anlieferungen gedacht. In Verlängerung des vorhandenen Laubengangs führt eine Passage, welche durch einen Lichthof natürlich belichtet wird und den Kurt-Schumacher-Platz mit dem historischen Ort des Bergfrieds verbindet. Eine offene und barrierefreie Rampenanlage vermittelt zwischen Konrad-Adenauer-Straße und Kurt-Schumacher-Platz, spielt den hohen Kopfbau frei und verhindert einen Hinterhofcharakter zwischen geplanten Platzpavillon und Gesundheitszentrum.
Innere Erschließung / Barrierefreiheit
Im Inneren des Gebäudes liegt ein zentrales Treppenhaus, gut adressiert und gelegen am Knickpunkt der beiden Teile. Eine klare Orientierung und eine barrierefreie Erschließung wird damit gewährleistet. Die Verkehrswege sind auf Minimum reduziert und über einen Lichthof im hohen und einen Laubengang im niedrigen Baukörper belichtet und belüftet. Das Treppenhaus ermöglicht eine Erschließung von bis zu vier Einheiten pro Geschoss, wodurch das Gebäude bestmöglich ausgenutzt ist.
Brandschutzkonzept
Das geplante Gesundheitszentrum gehört gemäß der nordrhein-westfälischen Bauordnung zur Gebäudeklasse 4. Die Feuerwehrzufahrt erfolgt über die Konrad-Adenauer-Straße und den Kurt-Schumacher-Platz. Feuerwehraufstellflächen sind in ausreichender Zahl um das Gebäude verteilt. Die Rettungswege führen im Erdgeschoss direkt ins Freie, in den oberen Geschossen über interne Wege und offene Gänge zum notwendigen Treppenraum und anleiterbare Rettungsfenster. Das Gebäude kann in zwei Brandabschnitte unterteilt werden, und die Rauchableitung erfolgt über öffenbare Fenster und Türen ins Freie.
Funktionalität
Das Gesundheitszentrum ist als multifunktionales Bauwerk in zwei Teilen konzipiert. Im hohen und breiten Baukörper liegen im Dreibund alle Aufenthaltsräume entlang der Fassade und Nebenräume in einer dienenden Mittelzone. In diesem Teil befinden sich momentan im Erdgeschoss Sanitätshaus und Apotheke und in den Obergeschossen unterschiedliche Arzt- und Hebammenpraxen – zukünftig wäre aber bedenkenlos eine konventionelle Büronutzung in einzelnen Zellen oder Open-Space-Lösungen möglich. Im flachen Baukörper befinden sich derzeit Optiker und ein Ladengeschäft im Erdgeschoss und stockwerkbezogene Sonderflächen wie Aufenthaltsräume, Besprecher, Umkleiden, Gymnastikräume und Labore in den Obergeschossen, welche über einen vorgelagerten Pufferraum als Laubengang erschlossen werden. Ein Teil der Dachfläche ist als Terrasse konzipiert und kann von allen gleichermaßen erschlossen und genutzt werden, während der Rest als Gründach funktioniert. Zukünftig wären in diesem Teil durch vertikale Versorgungsschächte alle zwei Achsen sogar Wohn- bzw. Boardinghouse-Nutzungen mit durchgesteckten Einheiten und beidseitiger Belichtung möglich.
Materialien / Konstruktion
Tragwerkskonzept und Materialwahl
Eine effiziente und einfache Bauweise steht im Mittelpunkt des Tragwerksentwurfs. Der Materialverbrauch bestimmt die Wirtschaftlichkeit sowie die Emissions- und die Ressourceneffizienz der Baukonstruktion. Das Tragwerkskonzept basiert auf einer einfachen hybriden Konstruktion aus Holz als wirtschaftlichen Skelettbau und Stahlbetonelemente in erdberührten und hochbelasteten Bereichen (UG, Kernbereiche, Decken für MRT-Geräte). Dies kombiniert die Stärken beider Materialien und optimiert die Bauzeit durch Vorfertigung. Ein wirtschaftliches, holzbaugerechtes Raster von 5,4m x 6,3m ermöglicht Flexibilität und einfache zukünftige Umnutzungen. Durch kürzere Spannweiten im Vergleich zu Stahlbetonbau werden CO2-Emissionen reduziert. 24 cm starke Brettsperrholzdecken lagern auf Brettschichtholz-Trägern und bilden mit Brettschichtholz-Stützen den Holz-Skelettbau. Die Aussteifung erfolgt durch Stahlbetonkerne und -wandscheiben. Hohe Vorfertigung ermöglicht schnelle Montage, reduziert Lieferverkehr und Baustellenlärm. Konstruktionsdetails sind auf Wirtschaftlichkeit und Brandschutz optimiert. Deckenelemente werden mit Vollgewindeschrauben verbunden, Holzstützen zur Auflagerung ausgeklinkt und mit Schrägschrauben gesichert. Der durchgesteckte Stützenrestquerschnitt dient als Auflagerfläche, wodurch ungünstige Querpressung vermieden wird. Diese Bauweise ermöglicht einfachen Rückbau und Wiederverwendung der Bauteile, sodass das Gebäude als "Materiallager der Zukunft" dient. Die horizontalen und vertikalen Fassadenpaneele werden als reversible und hinterlüftete Trägerplatten mit Fliesen konzipiert, während die Fensterelemente aus langlebigen Holz-Aluminium-Konstruktionen bestehen.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
Konstruktionen im Bauwesen verursachen etwa 11% der weltweiten Treibhausgasemissionen. Holz als nachwachsender Baustoff speichert CO2 und vermeidet den Einsatz von emissionsintensiven Materialien wie Stahl und Zement. Die Nutzung von Holz anstelle von Stahlbeton kann 30-60% der CO2-Emissionen einsparen. Die Klimawirkung von den verwendeten Stahlbetonbauteilen kann durch Recycling-Beton und klimafreundliche Zemente verbessert werden. Der kreislaufgerechte Holzbau ermöglicht sortenreinen, materialerhaltenden Abbau am Lebenszyklusende des Gebäudes, was in der Ökobilanz erhebliche CO2-Einsparungen gegenüber Stahlbeton bewirkt.
Klima- und Energiekonzept
Das Klima- und Energiekonzept zielt darauf ab, den Aufwand für Bau und Betrieb des Gebäudes zu minimieren und gleichzeitig hohe Nutzungsqualität, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Es setzt auf minimale Gebäudetechnik für flexiblen, robusten Betrieb. Beheizt wird das Gebäude mit einer energieeffizienten Fußbodenheizung und einer Luft-Wasser-Wärmepumpe auf dem Dach. Alternative Energien wie Geothermie sind zu prüfen. Natürliche Belüftung und dezentrale Fassadenlüfter sorgen für Frischluft; außenliegender Sonnenschutz und Deckenventilatoren verbessern den Komfort. Auf mechanische Kühlung wird weitgehend verzichtet, sie kann jedoch bedarfsweise ergänzt werden. Photovoltaik-Module auf dem Dach erzeugen etwa 65 MWh Strom pro Jahr, etwa die Hälfte des Gebäudebedarfs. Optional können Fassaden-PV-Module die Eigenstromproduktion weiter erhöhen.