in Kooperation mit Simon Kochhan & Esther Escolano Bort
Wettbewerb, Neubau, 2024
Nutzung: Kindertagesstätte
Bruttogrundfläche: 940 m2
Visualisierungen: Simon Kochhan
GDLA Landschaftsarchitektur (Landschaft)
hhpberlin (Brandschutz)
C4 engineers GmbH (Tragwerksplanung)
Ingenieurbüro für Gebäudetechnik Uwe Häberle (HLS)
Städtebau
Zur Reduktion und Einsparung von Ressourcen und Kosten und als nachhaltige und wirtschaftliche Lösung wird die Kita als eingeschossiger Baukörper entwickelt. Volumetrisch setzt sich der Baukörper aus einer Addition fünf baugleicher Volumen zusammen, die in ihrer Körnung, Dachneigung und Ausrichtung an die Umgebungsbebauung angepasst sind und sich so harmonisch in den kleinteiligen Kontext einfügen. Gleichzeitig hebt sich der Neubau durch sein Gesamtvolumen und die Neuinterpretation des ortsüblichen Satteldachs klar als Sonderbaustein ab und fungiert somit auch als städtebaulicher Vermittler zwischen den öffentlichen Nutzungen entlang der Keltenstraße im Westen und der privaten Wohnbebauung entlang dem Schwabenweg im Osten.
Die Erschließung der Kita erfolgt über den westlichen Vorplatz, auf dem Flurstück 982/6, von der Keltenstraße über eine Stahlgitterbrücke, um die Wirksamkeit der vorhandenen Sickermulde nicht zu beeinträchtigen. Der Baukörper orientiert sich am westlichen Rand des Grundstücks, um den Vorplatz zu fassen, eine klare Adresse und Zugangssituation zu schaffen sowie kurze Wege zur Hol- und Bringzone und den 9 PKW-Stellplätzen, darunter 2 barrierefreie, zu generieren. In unmittelbarer Nähe zum Haupteingang befinden sich auf der nördlichen Gebäudeseite 20 überdachte Fahrradstellplätze. In Anlehnung an die Orientierung und die Umgebungsbebauung werden auch im Inneren konsequent die öffentlicheren Nutzungen nach Westen zum Vorplatz und die Gruppenräume mit Außenspielbereich nach Osten zur gering frequentierten Wohnstraße ausgerichtet.
Vom Haupteingang können sowohl das Foyer mit Elternwartebereich als auch der Mehrzweckraum autark erschlossen werden. In Kombination mit der großzügigen Schiebeverglasung, welche eine Öffnung und Erweiterung zum Vorplatz ermöglicht, wird zusätzlich der multifunktionale Charakter des Platzes als infrastrukturelle Fläche einerseits und als Möglichkeitsraum für vielfältige Aktivitäten wie Wochenmärkte, Flohmärkte und Nachbarschaftsfeste andererseits gestärkt.
Hochbau
Um auch bei sich stetig wandelnden Erziehungskonzepten sowie periodisch wechselnden Kinderzahlen eine flexibel nutzbare, zukunftsfähige Kita zu schaffen, sollte ein räumliches Grundgerüst geschaffen werden, das die immer gleichbleibenden, grundlegenden räumlichen Voraussetzungen in der Kinderbetreuung abbildet: großflächige, extrovertierte Räume mit Außenraumbezug für die Kinder, die Verwaltung oder die Gemeinschaft und kleinteilige, introvertierte, dienende Räume für die Infrastruktur und die Nebenräume. Als nutzungsneutrale Räume gleicher Dimension, Belichtung und Qualität formuliert können, durch unterschiedliche räumliche Schaltung, Nutzung und Bespielung maximale Flexibilität und größtmöglicher Aneignungsspielraum durch vielfältige pädagogische Sichtweisen und immer neue Generationen von Kindern ermöglicht werden.
Dementsprechend wurde ein Modul aus einem nutzungsneutralen großen Raum und einer dazugehörigen, dienenden Nebenraumspange entwickelt, die unter einem gemeinsamen Dach vereint werden. Um die dienenden Räume wirtschaftlich und ressourcenschonend zu integrieren, charakterisiert sich die Nebenraumspange durch geringere Raumhöhen, flachere Dachneigungen, statisch wirksame Trennwände, präzise gesetzte Fensteröffnungen und robuste und pflegeleichte Oberflächen, die den Kindern die Möglichkeit zum aktiven Mitgestalten bieten. Um eine flexible Nutzung der Nebenräume als Sanitär, Küche, Materialraum etc. auch zukünftig zu gewährleisten, werden alle Nebenzonen mit einer einheitlichen technischen Ausrüstung versehen. Nach Außen zeigen sich die infrastrukturellen Bereiche introvertiert: Die überwiegend opake Fassadenfläche wird punktuell durch quadratische Sitzfenster, kreisrunde Festverglasungen und hölzerne Türöffnungen durchbrochen und im Gartenbereich zusätzlich durch eine eingebaute Sitzbank aufgeladen. Dementgegen präsentieren sich die Aufenthaltsräume mit raumbreiten Verglasungen zum Außenbereich und nach Innen zum Spielflur, mit großzügigen Raumhöhen, sichtbarem Tragwerk sowie einem Oberlichtband, das diffuses Nordlicht einfallen lässt und somit auch in der Tiefe des Baukörpers für ideale Belichtung sorgt.
Durch die lineare Schichtung der Module entsteht ein spannendes räumliches Wechselspiel unterschiedlicher Raumgrößen, Belichtungen und Oberflächen. Besonders spürbar wird dies im über das Oberlicht und die Gruppenräume natürlich belichteten Spielflur, der das Zentrum der Kita bildet, alle Funktionen zusammenbindet und Raum für Austausch und Kommunikation schafft. Durch Aufweitungen und Engstellen lädt dieser zum ungehinderten Toben und Spielen ein. Die verglasten Trennwände zwischen Aufenthaltsbereich und Spielflur bieten gleichzeitig Sichtbeziehungen zwischen den Funktionen, Ausblicke in den Außenraum und gute Aufsichtsmöglichkeiten durch die Erzieher*innen. Mitte und Enden des Spielflurs werden zusätzlich mit gemeinsam genutzten Räumen wie Intensiv- und Schlafraum mit großzügigem Sichtbezug nach außen ergänzt.
Jeder Gruppenraum verfügt über einen direkten Zugang zu einem eigenen Materialraum und einer Matschschleuse sowie zu einem der drei Sanitärbereiche. Die direkte Verbindung erleichtert den Kindern den selbstständigen Gang zur Toilette bei gleichzeitiger Aufsicht durch die Erzieher*innen. Gruppen- und Nebenräume der U3 sind in ruhiger Lage und in unmittelbarer Nähe zum Personalraum am südlichen Ende des Spielflurs verortet und verfügen über einen direkten Zugang zum zugehörigen Außenspielbereich, welcher als Teil der baulichen Struktur leichter überschaubar ist und über einen flexibel steuerbaren baulichen Sonnenschutz verfügt.
Die restlichen Funktionen sind einfach und kindergerecht entlang des Spielflurs angeordnet. Der Gemeinschaftsbereich mit Mehrzweck- und Speiseraum sowie notwendige Nebenräume wie Küche und Lager sind im nordwestlichen Gebäudeteil mit direktem Lieferzugang vom Flurstück 982/6 angeordnet. Die Verwaltung mit Pausenraum, Leitung, Sanitär, Hauswirtschaft und Technikbereich bilden den südwestlichen Gebäudeabschluss und verfügen über einen direkten Zugang zum Außenspielbereich der Kinder.
Um ein hohes Maß an räumlicher Flexibilität, selbständiger Bewegung und optimaler Über- und Aufsicht zu ermöglichen, nimmt das Element der Enfilade einen besonders hohen Stellenwert im Entwurfskonzept ein. Vielfältige Türöffnungen zwischen den einzelnen Gruppen-, Neben- und Außenräumen ermöglichen freie, spielerische Bewegung und Rundläufe der Kinder durch das Gebäude, Mehrfachnutzung und spielerische Aktivierung der Zwischen- und Nebenräume, optimale Aufsicht durch die Erzieher*innen auch beim Aufenthalt in unterschiedlichen Räumen sowie die Möglichkeit, mehrere Räume visuell oder physisch zusammen- oder abzuschalten und damit maximale Flexibilität in der Nutzung zu ermöglichen.
Bei dauerhaft geänderten Kinderzahlen oder einem alternativen Pädagogikkonzept können die Raumgrenzen zusätzlich zum Spielflur angepasst werden, um intimere oder größere Räume zu schaffen. Ein strukturell bereits mitgedachter Anbau im Bereich des Außenraums U3 ermöglicht eine zukünftige bauliche Erweiterung.
Unterschiedliche Themenräume wie Aktions-, Rückzugs-, Kreativ- oder Interaktionsräume oder verschiedene pädagogische Konzepte können im Innenausbau mit differenzierten räumlichen und atmosphärischen Qualitäten durch Material, Farbe, Oberfläche und Einrichtung gestaltet und periodisch neu definiert werden. Dies ermöglicht eine wandelbare und anpassungsfähige Umgebung, die den Bedürfnissen der Kinder und der pädagogischen Konzepte gerecht wird.
Konstruktion
Der Entwurf zeichnet sich durch die Verwendung nachhaltiger Materialien und eine hohe Flexibilität im Inneren aufgrund der seriellen Wiederholung einzelner Module aus. Sowohl die Wand- als auch Dachkonstruktionen in ökologischer Holzbauweise ermöglichen eine Realisierung mit verkürzter Bauzeit und geringeren Baukosten, bezogen auf den zahlreichen Einsatz vorgefertigter Bauteile. Die modulare Ausführung der Tragstruktur als Holzständerbau in einem wirtschaftlichen Raster von 62,5 cm respektive 1,25 m lässt einen sortenreinen Aufbau und Rückbau zu. Zukünftige Anpassungen der Kita sind problemlos zu bewerkstelligen. Im Gebäudeinneren wird die Tragstruktur an der Dachuntersicht vom einfachen Trag- zum Sichtwerk und gliedert somit nicht nur den Raum, sondern schafft dabei gleichzeitig zahlreiche Hangmöglichkeiten für Turngeräte o. ä. und ermöglicht funktionale Anschlusspunkte der Oberlichter an den Dachüberschiebungen und räumlichen Abtrennungen. Am Tiefpunkt der beiden Schrägdächer befinden sich in Wiederholung Rinnen in der Dachhaut, welche mit doppelter Abdichtung und einem Gefälle von 2% bis an die Fassade nach Außen geführt werden. Offen an der Fassade liegende Fallrohre ermöglichen einerseits einen wartungsarmen Umgang mit der Entwässerung und gliedern gleichzeitig die Fassade. Gehüllt wird das Haus analog zum Konstruktionsmaterial mit einer vertikalen, rot lasierten Holzschalung. Die rote Lasur ist nicht nur Witterungs- und UV-Schutz, sondern auch bezugnehmend auf den rotgebrannten Ziegel auf dem Dach und in der Umgebung. Der Lattung der der Dachvolumetrie variiert in doppelter Breite gekonnt mit der Lattung der Sockelvolumetrie. Somit erscheint das gesamte Haus als ein einheitliches Volumen.
Wirtschaftlichkeit
Ein wesentliches Merkmal des Entwurfs ist das sehr gute Verhältnis der Bruttogrundfläche (BGF) zur Nettogrundfläche (NUF) von 1,2. Durch einen effizienten Grundriss wird der Flächenverbrauch optimiert und die Nutzung der Räume maximiert. In Kombination mit einem optimalen Fensterflächenanteil von 29%, dem windunabhängigen, außenliegenden, textilen Sonnenschutz entlang der Fensteröffnungen an Süd-, Ost- und Westfassade und einer hochgedämmten Holzbauweise werden Heiz- und Kühlaufwand signifikant reduziert. Geheizt und gekühlt wird über Deckensegel zwischen der Sparrenkonstruktion, die zugleich für eine optimale Akustik sorgen und auch bei laufender Kühlung ungehindertes Spielen auf dem Fußboden ermöglichen.
Optimierte Raumtiefen, große Fensteröffnungen und Oberlichter in den Aufenthaltsräumen sowie Fenster und Oberlichter von den innenliegenden Räumen zu den Aufenthalts- und Fassadenräumen ermöglichen eine natürliche Belichtung aller Nutzräume, was in Kombination mit einer tageslichtabhängigen Beleuchtungssteuerung zu einer enormen Reduzierung des Energieverbrauchs führt.
Das haustechnische Low-Tech-Konzept, welches natürliche Lüftung der Aufenthaltsräume und lediglich in den Nebenräumen ein kleines Lüftungsgerät mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von über 80% vorsieht, spart aufwendige Wartungs- und Inspektionskosten für Anlagentechnik. Der jährlich produzierte Strom der Photovoltaikanlage auf den Süddächern soll über das Jahr gesehen mindestens den Gesamtstromverbrauch des Neubaus abdecken (Plusenergiehaus). Neben der Einsparung in den Baukosten durch die eingeschossige Bauweise, den kompakten Grundriss, serielle Fertigung, traditionelle Bauweise und die opaken Fassadenflächen, werden durch robuste, pflegeleichte Materialien im Innen- und Außenraum zudem die Instandhaltungs- und Reinigungskosten gesenkt. Entwurf, Konstruktion und technische Ausstattung wurden unter Berücksichtigung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten gemeinsam entwickelt, um eine nachhaltige, zukunftsfähige und langfristig wirtschaftliche Lösung zu gewährleisten.
Freiraum
Die Gestaltung der Freianlagen stellt die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt und berücksichtigt gleichzeitig ökologische und nachhaltige Aspekte. Die Gestaltung bietet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und fördert sowohl das freie Spiel als auch gezielte Aktivitäten. Jeder Gruppenraum der Kita verfügt über eine zugeordnete Terrasse unterschiedlicher Größe. Diese Terrassen bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und sind mit flexibler Möblierung ausgestattet, um den individuellen Bedürfnissen der Gruppen gerecht zu werden und die Kreativität der Kinder zu fördern. Gegliedert sind die Spielflächen in ruhige, strukturierte Bereiche. Die Spielangebote umfassen Klettern, Balancieren, Schaukeln, Wippen, Sandeln, freies Spiel, Rückzugs- und Entspannungsbereiche sowie gemeinsames Gärtnern. Diese unterschiedlichen Spielangebote fördern die motorischen Fähigkeiten, das soziale Miteinander und die Entdeckung der Natur. Die Spielgeräte und Ausstattungen sind aus naturnahen Materialien gefertigt und durch farbliche Akzente ergänzt. Diese Kombination sorgt für eine natürliche und interessante Umgebung, die gleichzeitig langlebig und robust ist. Der Bereich für Kinder unter drei Jahren wird durch Stützen und eine optische Weiterführung des Daches gefasst. Dadurch ergeben sich Sitzkanten, die sich im Freiraum fortführen.
Die Einfriedung des Geländes erfolgt durch einen teils begrünten Holzzaun. Dieser ist mit integrierten Insektenhotels, Gucklöchern, Klangspielen, optischen Spielen und Nistkästen ausgestattet, um den Kindern zusätzliche Anreize zur Entdeckung und Beschäftigung zu bieten.
Die Bepflanzung besteht aus klimawandelverträglichen Bäumen, Sträuchern und insektenfreundlichen Stauden. Naschsträucher und essbare Baumfrüchte sorgen dafür, dass der direkte Kontakt zur Umwelt und ein Auseinandersetzen mit dem Thema Nahrung hergestellt werden. Auch durch die geplanten Hochbeete zum gemeinsamen Gärtnern wird dieser Bezug gestärkt. Ein Teil der ausgesuchten Bäume eignet sich im höheren Alter außerdem gut als Kletterbaum und bringt damit einen weiteren Spielwert mit sich. Diese Pflanzenwahl fördert die Biodiversität und bietet den Kindern die Möglichkeit, die Natur hautnah zu erleben und zu entdecken. Eine Zisternen-Rigolen-Lösung sorgt für die effektive Versickerung und eine mögliche Nutzung des Regenwassers. Im Osten der Spielflächen ist ein Lager für Spielgeräte vorgesehen.